Kapitel 6 Interview: Landkreistag, BREKO und BUGLAS

Anknüpfend an den Grundgedanken des Glasfaserpaktes Baden-Württemberg – dass das Zusammenwirken des privatwirtschaftlichen und geförderten Ausbaus essentiell für die weitere erfolgreiche Realisierung der digitalen Infrastruktur im Land ist – fand am 8. Juli 2025 ein Videointerview mit drei Repräsentanten dieser verschiedenen Akteure statt.

Von Seiten der Telekommunikationsverbände nahmen hieran Herr Wolfgang Heer, Geschäftsführer des BUGLAS, und Herr Jan Simons, Leiter der Landes- und Kommunalpolitik des BREKO, teil, der Landkreistag Baden-Württemberg wurde durch Herrn Michael Schlichenmaier, stellvertretender Leiter der Stabsstelle Digitalisierung, vertreten.

Im Gespräch beleuchteten die drei Interviewten den Status quo des baden-württembergischen Glasfaserausbaus aus ihrer Perspektive, formulierten ihre konkreten Erwartungen an das unverzichtbare gemeinsame Ausbau-Engagement, nahmen den Glasfaserpakt mit den für sie jeweils wichtigsten Punkten unter die Lupe und wagten einen Ausblick in die Zukunft des landesweiten Glasfaserausbaus.

© Adobe Stock

Frage 1: Wo stehen wir beim baden-württembergischen Glasfaserausbau aus Ihrer Sicht?

Herr Heer:

Das BMDS (Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung) hat am 7. Juli 2025 einen neuen „Bericht zum Stand des Glasfaserausbaus in Deutschland“ herausgegeben. Dieser ordnet Baden-Württemberg bei der Homes Passed-Quote als unterdurchschnittlich versorgt ein. Zu diesem Schluss kann man jetzt kommen. Homes Passed-Zahlen kann man nehmen, diese bilden allerdings die tatsächliche Versorgungslage nur unzureichend ab. Man sollte noch ein paar andere Kennzahlen heranziehen. Die finden jetzt hier in diesem Bericht keinen Eingang, weil sie vermutlich auch nicht flächendeckend erhoben werden. Das ist ja der Vorteil von Homes Passed. Jeder benutzt diese Zahl, aber man sollte Kennzahlen wie Homes Connected und Subscriber mit dazu nehmen, um die tatsächliche Versorgung treffender zu beschreiben.

Der Bericht weist einen Bundesdurchschnitt von 35 Prozent Homes Passed und für Baden-Württemberg 22,6 Prozent aus. Daraus könnte man schließen, dass Baden-Württemberg hinterherhinkt. Ich habe mir die Mühe gemacht und gestern mal ein paar Daten der Bundesländer angeschaut. Wir haben in Baden-Württemberg 11,5 Millionen Einwohner. Das ist im Bundesvergleich Platz drei. Wir haben die drittgrößte Fläche und die drittgrößte Bevölkerung, die sich aber auch sehr ungleich verteilt in diesem Bundesland. Und auch von den Bodenklassen her wird uns zumindest so zurückgespielt: Das ist hier kein Selbstläufer. Man sagt ja immer so aus Spaß: „In Schleswig-Holstein verlegst Du das Kabel auf dem Strand und wartest ein halbes Jahr und dann hat sich das mit alternativen Verlegemethoden.“, was natürlich auch völlig übertrieben ist.

Aber in Baden-Württemberg ist das ein Stück weit anders. Deshalb vielleicht noch einen weiteren Blick: Es gibt hier 97 sogenannte Mittelstädte. Diese sind ja eigentlich eine zentrale Herausforderung insgesamt für den Glasfaserausbau in Deutschland – diese Städte zwischen 20.000 und 90.000 Einwohnern, von denen kein anderes Land in der EU so viele hat wie wir. Dort haben wir dann natürlich gerade auch Stadtwerke, die im Ausbau tätig sind. Es werden größere Gebiete dann auch sinnvollerweise von den Versorgern bedient. Die Vielzahl an Versorgern ist ja aus unserer Sicht ein großes Pfund in diesem Markt. Oder, um jetzt kurz zum Schluss zu kommen: Die Zahlen, die man aus dem Bericht herauslesen kann – unterdurchschnittliche Versorgung – die mögen in absoluten Homes Passed-Zahlen zutreffend sein, aber ich würde die Situation insgesamt besser werten, weil es eben eine Vielzahl von Spielern gibt, weil es Betreibermodelle, auch in einem großen Teil des Landes gibt, die wir für sehr sinnvoll halten. Und schlussendlich auch, weil wir jetzt hier ein Bekenntnis der Akteure haben, dass wir künftig ein bisschen besser zusammenarbeiten wollen.

Aus unserer Sicht besteht also Potenzial.

Herr Schlichenmaier:

Auch nach meiner Wahrnehmung sind wir deutlich besser, als die offiziellen Zahlen einem glauben machen. Das liegt zum einen daran, dass, wie mir die Betreibermodelle berichten, sehr viel Zeit vergeht, ehe neu gebaute Anschlüsse Eingang in die offiziellen Statistiken finden. Das heißt, zu jedem Zeitpunkt, zu dem man zum Beispiel in das Gigabit-Grundbuch des Bundes schaut, sind die tatsächlichen Zahlen schon ein gutes Stück besser.

Viel wichtiger ist aber, dass Baden-Württemberg im Ländervergleich zwar, was die Gesamtzahl der Anschlüsse angeht, vergleichsweise hinten liegt, aber aufgrund der Förderpolitik der letzten zehn Jahre hier mit dem Ausbau der schwierigsten, baulich zeitintensivsten und damit auch teuersten Anschlüsse begonnen wurde. Und das bedeutet eben auch, dass, anders als in einigen anderen Bundesländern, die kostengünstigeren, damit auch wirtschaftlich attraktiveren Gebiete zu einem großen Teil noch vor uns liegen.

Und deswegen würde ich davon ausgehen, dass der baden-württembergische Glasfaserausbau im weiteren Verlauf immer größere Sprünge machen wird. Es gibt in Baden-Württemberg auch kaum noch echte weiße Flecken.

Sorge bereitet mir allerdings, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau spürbar an Fahrt verloren hat in den letzten Monaten und die getroffenen Ausbauzusagen noch nicht in dem Maße eingehalten werden, wie wir uns das alle gewünscht haben. Aber auch da bin ich hoffnungsvoll, dass die Talsohle durchschritten ist und wir da wieder, auch mit dem Glasfaserpakt, schneller und besser werden.

Herr Simons:

Die Lage in Baden-Württemberg hat sich in den letzten Jahren sehr deutlich verbessert. Es ist mehr Dynamik reingekommen.

Herr Schlichenmaier hat gerade vom eigenwirtschaftlichen, also privatwirtschaftlichen, Ausbau gesprochen, der ihm Sorgen bereitet.

Tatsächlich gibt es Umstrukturierungen im privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau und es wurden teilweise Zusagen gemacht, die nicht eingehalten wurden. Das ist nicht gut für die Branche und muss sich ändern.

Überwiegend gibt es allerdings privatwirtschaftliche Ausbauvorhaben, die ohne Probleme durchgeführt werden und die dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger mit Glasfaser versorgt werden.

Wir haben noch ein gutes Stück Arbeit vor uns. Baden-Württemberg hat natürlich so manche Herausforderung, einige wurden schon genannt. Betrachtet man den Glasfaserausbau, muss natürlich auch das gute Kabelnetz in Baden-Württemberg erwähnt werden, das gleichzeitig eine Herausforderung für den Glasfaserausbau darstellt: Eine starke Infrastruktur, die momentan noch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger deckt, ist eine Herausforderung für einen flächendeckenden Glasfaserausbau im Ländle. Dabei muss aber auch betrachtet werden, dass die Glasfaser die einzige Infrastruktur ist, die zukunftsfähig ist.

Für ein flächendeckendes Glasfasernetz brauchen wir einen Plan für den Umstieg vom Kupfer- zum Glasfaserzeitalter. Das ist schon ein entscheidender Punkt. Wir müssen schauen, wo es in Zukunft hingeht. Baden-Württemberg braucht einen Zukunftsplan. Wo wollen wir digital hin? Was ist unser Plan für die Digitalisierung? Wollen wir darüber sprechen, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Menschen hat? Ich bin davon überzeugt, dass das die Dynamik im Glasfaserausbau noch einmal steigern wird. Ich glaube, die Ausgangslage hat sich generell verbessert und diese Entwicklung müssen wir jetzt konsequent weiterführen. Was wir dafür machen müssen, werden wir gleich bestimmt auch noch besprechen.

Frage 2: Was sind in Ihren Augen die entscheidenden Voraussetzungen für den weiteren erfolgreichen Glasfaserausbau im Land?

Herr Schlichenmaier:

Ich würde global betrachtet drei Dinge nennen, die es für einen erfolgreichen Glasfaserausbau in Baden-Württemberg braucht: Klare Ziele, gute Rahmenbedingungen und ein gutes Miteinander aller Beteiligten.

Bei den Zielen waren wir meiner Meinung nach noch nie wirklich auseinander, da ziehen eigentlich schon seit jeher alle an einem Strang.

Die Rahmenbedingungen waren ehrlicherweise, zumindest mit Blick auf den geförderten Ausbau, aber auch darüber hinaus, schon mal besser als heute. Da denke ich konkret zum Beispiel an eine verlässliche und finanziell im Vergleich zu den letzten zwei Jahren auch wieder besser ausgestattete Gigabitförderung des Bundes, die ich mir wünschen würde und auch, dass für ausbauwürdige Kommunen nicht regelmäßig neue bürokratische Hürden geschaffen, sondern diese eher reduziert werden. Hier hoffen wir, dass das in Berlin verstanden wurde und wir an dieser Stelle bald wieder Verbesserungen sehen.

Und beim besseren Miteinander haben wir jetzt tatsächlich mit dem jüngst ausgehandelten Glasfaserpakt aus meiner Sicht einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das ist auf jeden Fall ein positives Signal.

Herr Heer:

Also ein Punkt ist natürlich, Jan Simons sagte es gerade, dass das Kabelnetz in Baden-Württemberg, das ja ein vergleichsweise gutes Netz ist, auch tatsächlich in dem Sinne so eine Art Bremse für etwas ist, was noch besser ist. Das gilt natürlich letzten Endes für die Vectoring-Versorgung auch. Zu diesem Ergebnis kommt auch der erwähnte Bericht des BMDS, in dem klar gesagt wird, bei Kabel-und Vectoring-Versorgung sind wir insgesamt sehr gut in Deutschland. Was natürlich dazu führt, dass es dann umgekehrt der Glasfaserausbau schwerer hat. Das ist eigentlich eine Binse. Also wenn ich etwas habe, was aus Sicht der Verbraucher ausreichend zu sein scheint, dann ist es natürlich schwierig, etwas Neues zu vermarkten.

Gerade das ist aber eine zentrale Herausforderung, dass wir sagen, wir müssen auf den Glasfasernetzen die Netzauslastung erhöhen. Und das Schöne ist, für Sie jetzt als Politik, damit haben Sie eigentlich vergleichsweise wenig zu tun. Glasfaser-Image-Kampagne und so weiter, ist recht und gut, aber das ist unsere Hausaufgabe als Branche, dass wir die Netzauslastung tatsächlich deutlich erhöhen – sei es über Kooperationen, da kommen wir gleich noch drauf, Open Access, wie auch immer. Es wird kaum einen Spieler geben, der sein Netz alleine vollbekommt, wenn er ein echtes Glasfasernetz hat, weil eben einfach die Ressourcen so hoch sind. Also das ist eine Hausaufgabe, an der die Branche arbeiten muss – tut sie auch, erfreulicherweise.

Eine zweite entscheidende Voraussetzung ist natürlich, dass darauf geachtet wird, dass nicht stetig aus dem politischen Füllhorn der gut gemeinten Optimierungsmaßnahmen immer weitere Regelungen obendrauf gegossen werden. Aktuell beschäftigt uns die Digital Network Act-Stellungnahme oder wie heißt das jetzt so schön, der Call for Evidence, dazu. Wo also Brüssel sich überlegt, nachdem man ja aus vier Richtlinien mit dem EECC (Richtlinie zum europäischen Kodex für elektronische Kommunikation) eine gemacht hat: Muss das Ganze nun überarbeitet werden? Wir haben mal die Seiten durchgezählt: Aus den ursprünglich vier Richtlinien mit 56 Seiten sind wir jetzt bei 170 Seiten.

Es ist eine andauernde Entwicklung, dass ständig neue Regulierungen oder Regelungen geschaffen werden, obwohl es derzeit viel mehr Vereinfachungen bräuchte.

Die kürzlich beschlossene Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses beim Festnetz- und Mobilfunkausbau im Bundestag war ein erster, guter Schritt.

Erleichterung von Genehmigungsverfahren und solcher Dinge wären sicherlich auch eine Hausaufgabe, wo gerne auch die Behörden und die Politik sagen könnten: „Da machen wir uns jetzt eine Hausaufgabenliste. Das ist jetzt unsere, die wir mit vereinten Kräften angehen.“

Herr Schlichenmaier:

Ausdrückliche Zustimmung zur Vereinfachung von Regulierung, ja.

Herr Simons:

Ich sehe das ein wenig anders. Gerne erkläre ich auch gleich, warum.

Meiner Meinung nach sind drei Faktoren entscheidend, um den Glasfaserausbau im Land voranzutreiben.

Ein Faktor sind stabile und verlässliche rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen. Dazu gehören auch Genehmigungsverfahren. Dazu gehört auch, die Bürgerinnen und Bürger ins Glasfaserzeitalter mitzunehmen und den Übergang von Kupfer zu Glas zu realisieren.

Zweitens sind ausreichend qualifizierte Fachkräfte wichtig. Wir hatten das Problem lange beim Tiefbau. Jetzt haben wir es vor allem in der Netzebene 4: Woher sollen wir die Elektriker nehmen, die lieber PV-Anlagen aufs Dach bauen, weil das lukrativer ist? Das ist keine Kritik an ihnen, sondern eine Herausforderung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Gut ausgebildete Planer aus der Glasfaserbranche sind natürlich auch in der Energiebranche immer gern gesehen. Wir müssen also Fachkräfte qualifizieren und sichern.

Der dritte Punkt ist – und das haben wir, glaube ich, jetzt mit dem Glasfaserpark erreicht – eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren. Dazu zählt auch, die Argumente der anderen zu verstehen, ihre Herkunft bzw. Grundlage zu kennen und verschiedene Sichtweisen auf Themen zu akzeptieren. Auf dieser Basis versucht man dann, gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden oder Fortschritte zu erzielen.

Ich möchte noch einmal auf den ersten Punkt zurückkommen: Stabile und verlässliche rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen sind entscheidend. Wolfgang Heer sprach davon, dass mit dem „politischen Füllhorn der gut gemeinten Optimierungsmaßnahmen immer weitere Regelungen obendrauf gegossen werden“. Wenn Wolfgang Heer damit die Regulierung gemeint hat, muss ich widersprechen. Ich bin nämlich der Meinung, dass es Aufgabe der Politik ist, diese Rahmenbedingungen herzustellen. Wenn es an der Zeit ist, ist auch ein Eingriff in den Markt notwendig. Wenn wir den Übergang von Kupfer zu Glas betrachten, ist es wichtig, dass es eine Vorgabe gibt, an die man sich hält. Ich finde, Bürokratie ist nicht immer etwas Schlechtes. Vorgaben sind nicht immer etwas Schlechtes. Regulatorische Eingriffe sind nicht immer etwas Schlechtes. Quasi-Monopole sorgen eher dafür, dass sich der Markt ungesund entwickelt. Die Aufgabe der BNetzA ist es in diesem Fall, sicherzustellen, dass es einen Wettbewerb gibt, der den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt. Deswegen sind Eingriffe zu bestimmten Zeiten einfach auch notwendig. Ich stimme zu, dass nicht bei jeder Kleinigkeit 25 Blätter zur Kommentierung verschickt werden müssen, sondern es muss auch mal eine Regelung geben, an die man sich halten und an der man sich orientieren kann. Es dürfen nicht übers Jahr gesehen 40 verschiedene Anfragen kommen, wie man sich den Markt jetzt vorstellt. Die Politik muss da auch einfach mutig vorangehen – das braucht es jetzt.

Wie gesagt, es sind die drei Punkte. Erster Punkt: Rahmenbedingungen. Zweiter Punkt: Fachkräfte, die wir auch bei der Nachverdichtung und bei der Netzebene 4 brauchen. Dritter Punkt: Enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Akteuren.

Herr Heer:

Also nur, dass das nicht jetzt missverständlich im Raum stehen bleibt. Im Digital Network Act beschäftigen sich 90 Prozent der Regelungen nicht mit dem, was Jan Simons ausführte. Ich habe Verständnis für die Sichtweise, dass man sagt, ich will ein Thema geregelt haben. Das ist alles in Ordnung, aber da reden wir über Universaldienst und europäische Vorleistungsprodukte und andere Dinge, wo zumindest wir jetzt sagen, da haben wir andere Aufgaben, die wichtiger sind an dieser Stelle. Nur, dass wir da nicht irgendwelche Gräben aufmachen, wo gar keine sind.

Frage 3: Im aktuell zwischen allen landesweit tätigen Akteuren geschlossenen Glasfaserpakt Baden-Württemberg, in dessen offenen und transparenten Abstimmungsprozess Sie sich aktiv und entscheidend eingebracht haben, ist die unerlässliche Bedeutung des gemeinsamen Engagements – sowohl der Privatwirtschaft als auch der öffentlichen Hand – beim Glasfaserausbau festgehalten worden. Was sind Ihre konkreten Erwartungen an dieses so bedeutsame und erforderliche an-einem-Strang-Ziehen aller Beteiligten?

Herr Simons:

Das Wichtigste am Glasfaserpakt ist für uns und unsere Mitgliederunternehmen, dass wir ins Gespräch kommen. Alles, was im Glasfaserpakt steht, ist wichtig, auch die Tatsache, dass wir uns damit auseinandergesetzt haben. Aber absolute Priorität hat ein offener Gesprächskanal für alle, die irgendwie am Glasfaserausbau beteiligt sind. Es ist wichtig, dass das Land, die kommunalen Landesverbände und die Netzbetreiber zusammenkommen und Verständnis für die gegenseitigen Positionen entwickeln.

Betrachtet man den Pakt, würde ich zuerst auf die selbstkritischen Aspekte im Hinblick auf die Branche schauen. Wir brauchen transparente Planungsprozesse. Wir brauchen frühzeitige und fortlaufende Abstimmungen mit den Kommunen. Wir brauchen verbindliche Zeitpläne. All das sind Dinge, die in unserem Hausaufgabenheft stehen. Wir brauchen eine gute und koordinierte Nutzung vorhandener Ressourcen. Dies muss im Einklang mit der Kommune oder anderen Infrastrukturinhabern geschehen.

Es geht auch darum, Parallelstrukturen zu vermeiden. Das ist ein wichtiger Punkt.

Wir müssen Synergien nutzen.

Unnötige Bürokratie muss abgebaut werden.

Wir müssen den Kommunen entgegenkommen und unsere Planungsdaten im passenden Format und in der passenden Qualität liefern. Gleichzeitig müssen wir mit den Kommunen Gespräche führen, in denen wir sie bitten, uns bei den Genehmigungsverfahren zu unterstützen. Damit meine ich nicht, dass die Kommunen ein Auge zudrücken, sondern dass sie die Anträge schnell bearbeiten, wenn diese qualitativ hochwertig sind.

All das sind Dinge, die wir im Rahmen der Pakt-Verhandlungen besprochen haben und die uns wichtig sind. Und ich glaube, es ist essenziell, dass wir diese auch mal festgehalten haben. Wo drückt der Schuh bei den Kommunen? Wo drückt der Schuh bei den Netzbetreibern? Wie kommen wir in diesem Glasfaserpakt zusammen und wie können wir das angehen? Wie erreichen wir ein abgestimmtes und zielgerichtetes Vorgehen aller Beteiligten? Das ist es, was den Pakt ausmacht. Dadurch kann der Ausbau effizient und zukunftssicher gestaltet werden.

Herr Schlichenmaier:

Die aus kommunaler Sicht größte Erwartung an das „an-einem-Strang-Ziehen“ aller Beteiligten war und ist, dass wir eine bessere Kommunikation brauchen. Das stand für uns über allem. Und zwar eine bessere Kommunikation zwischen den Telekommunikationsunternehmen und den Kommunen, als auch mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Das Problem ist nicht in erster Linie, dass es bei den Ausbauprojekten von Telekommunikationsunternehmen zu Verzögerungen kommt. Das ist sehr, sehr häufig der Fall, auch bei geförderten Projekten, bei denen die Kommune selbst baut. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass die Ursachen für die Verzögerungen in zu vielen Fällen nicht transparent gemacht werden.

Bei diesem Punkt müssen wir besser werden und das wäre eine der zentralen Erwartungen, die wir auch an den Pakt hegen.

Gleichzeitig hoffe ich auch, dass wir noch ein verbessertes Miteinander von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau hinbekommen. Das Mindeste ist hier aus unserer Sicht, dass ein gegenseitiger Überbau zukünftig konsequent vermieden wird, was sich die Unterzeichner des Pakts erfreulicherweise auch zum Ziel gesetzt haben.

Wünschenswert wäre es natürlich, wenn die Betreiber von eigenwirtschaftlichen und geförderten Ausbaugebieten miteinander kooperieren würden und ihre Dienste jeweils auf den Netzen des anderen anbieten würden. Das würde die Vermarktung in den Kommunen deutlich erleichtern und zugleich den Wettbewerb fördern. Die verstärkte Nutzung von Open Access steht ebenfalls im Pakt und das halte ich tatsächlich auch für sehr sinnvoll.

Herr Heer:

Für mich liegt die Antwort schon in der Frage selber. Bei den Dingen, die wir als Branche selbst steuern können, steht tatsächlich die Frage, wie wir die Netze gemeinschaftlich möglichst gut auslasten können, im Vordergrund. Alles andere können wir nur in Teilen beeinflussen. Da kann ich mich auch partiell den beiden Vorrednern anschließen. Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren, gemeinsames Marketing in Richtung Glasfaser und so weiter. Alles gute und wichtige Punkte.

Ich habe neulich eine Dokumentation gesehen, in der es um den Untergang großer Völker ging. Eine zentrale Aussage war – und die fand ich bemerkenswert – dass die Menschheit eigentlich in der Regel immer dann vorankommt, wenn sie zusammenarbeitet und dass sie in der Regel immer dann zurückfällt, wenn sie gegeneinander arbeitet. Und das scheint mir ganz persönlich auch ein wichtiger Aspekt für den Glasfaserausbau zu sein.

Wenn wir beim Glasfaserausbau versuchen, gemeinschaftlich zu arbeiten, dann werden wir auch hier vorankommen. Der Kuchen sollte für alle groß genug sein – bei allem Preisdruck, den wir hier leider haben.

Und an dieser Stelle auch meine Kritik, insgesamt gibt es im Markt zu viel Preisdruck. Die Margen dürfen gerne größer sein, aber der Kuchen sollte, wenn man zusammenarbeitet, so groß sein, dass jeder, und das wäre eine zentrale Herausforderung, sein Geschäftsmodell mit einer vernünftigen Marge realisieren kann. Wenn Geschäftsmodelle so sind, dass sie immer nur auf Kosten eines Dritten gehen, ist es schlecht, dann wird nichts passieren. Das ist anreizunverträglich. Aber wenn man berücksichtigt, dass gerade die, die die Netze in den Boden bringen, diejenigen sind, die die höchste Last tragen, sowohl in absoluten Zahlen als auch von der Länge des Zurückverdienens her. Und man setzt darauf auf und sagt, egal wer dann der Betreiber und der Diensteanbieter ist, der sollte dann schon sehen, dass er noch seine Euros verdienen kann.

Wenn das gelingt, durch marktverhandeltes, transparentes Zusammenarbeiten, dann wäre das eine tolle Sache. Und ich bin ja Rheinländer: Der Reinländer an sich ist ja immer optimistisch und glaubt auch ans Gute im Menschen. Das wäre aus meiner Sicht mehr als ein frommer Wunsch, sondern tatsächlich eine Hoffnung.

Frage 5: Wie sehen Sie die absehbaren Entwicklungen des Glasfaserausbaus im Land angesichts der derzeitigen kapazitären, finanziellen, rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen?

Herr Schlichenmaier:

Ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir die Talsohle in Sachen stockendem Ausbau bereits durchschritten haben. Und zwar sowohl was den geförderten als auch den eigenwirtschaftlichen Ausbau angeht. Ich rechne zwar nicht damit, dass wir im Telekommunikationsmarkt noch mal so eine Goldgräber-Stimmung erleben werden, wie es in Baden-Württemberg im Jahr 2021 der Fall war, aber im Rückblick halte ich das auch gar nicht unbedingt für erstrebenswert.

Wichtiger wären für uns, und da würde ich mich eigentlich auch direkt an das anschließen, was Herr Simons gerade gesagt hat, realistische und verlässliche Ausbaubekundungen und dass dort, wo dann ein Ausbau angekündigt wird, auch innerhalb von vertretbaren Zeiträumen den Worten Taten folgen. Das heißt aber natürlich auch, dass klar kommuniziert wird, wo nicht ausgebaut wird und wo dann ein geförderter Glasfaserausbau realisiert werden kann.

Und wenn dann noch die bereits erwähnten Rahmenbedingungen der Förderpolitik von den Verantwortlichen auf Bundes-und Landesebene richtig neu justiert werden – also aus unserer Sicht ein verlässliches Programm, an dem nicht jedes Jahr Änderungen vorgenommen werden, eine gesicherte Verfügbarkeit von Fördermitteln auf dem Niveau von vor zwei, drei Jahren und einen Abbau von gewissen bürokratischen Hürden – dann glaube ich tatsächlich in Verbindung mit einem wieder anziehenden eigenwirtschaftlichen Ausbau, dass wir unseren Ausbauzielen auch in großen Schritten näher kommen werden.

Herr Simons:

Ich glaube, was Herr Schlichenmaier ganz zu Beginn dieses Gesprächs gesagt hat, ist ein wichtiger Punkt: Baden-Württemberg hat bereits einige große Hürden aus dem Weg geräumt. Die Ausbaugebiete, die wirklich schwer auszubauen sind – wie der Schwarzwald und der Hochrhein – sind Gebiete, in denen es bestimmt keinen Spaß macht, alles eigenwirtschaftlich zu erschließen. Es gibt aber Unternehmen, die das in Verbindung mit Förderung getan haben, beispielsweise die Firma Stiegler, die vom Hochrhein in den Schwarzwald geht.

Wir müssen also darauf achten, dass wir diese Dynamik, die wir jetzt durch diesen Pakt entfachen, fortsetzen können.

Dafür brauchen wir Kooperationen. Das hat Wolfgang Heer eben gesagt. Wir brauchen Kooperationen auf unterschiedlichen Ebenen. Ich will gar nicht eine Kooperation besser reden als die andere. Wir brauchen Kooperationen bei der Infrastruktur. Wir brauchen Kooperationen bei den Netzen. Wir brauchen einen freien Zugang für die Bürgerinnen und Bürger zum Internet ihrer Wahl. Wenn ich das mal so einfach ausdrücken darf: Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich aussuchen können, welchen Anbieter sie auf dem bestehenden Netz wählen. Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen. Wir müssen das alles auch aus Bürgersicht betrachten und es ihnen einfacher machen, sich für Glasfaser zu begeistern.

Das gesagt, brauchen wir aber auch die Rahmenbedingungen, die wir angesprochen haben. Ein durch die BNetzA definiertes Ziel beim Übergang von Kupfer zu Glas ist für uns auf jeden Fall wichtig. Das hilft auch den Bürgerinnen und Bürgern, zu verstehen, wohin die Reise geht. Wir brauchen ein Gespräch darüber, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unser Land hat. Das sind die Rahmenbedingungen.

Die Dynamik halten wir hoch. Ich glaube, dieser Austausch darüber, was wichtig ist und was nicht, und wie die verschiedenen Positionen zueinanderstehen, hat die Verhandlungen zum Pakt ausgemacht. Gemeinsame oder unterschiedliche Positionen erkennen und dann weiterdiskutieren: Wie kommt man von da aus zum gemeinsamen Ziel? Das ist es, was Baden-Württemberg auch in Zukunft machen muss. Man setzt sich an einen Tisch, jeder sagt, wo er steht, und auf dieser Basis guckt man dann, wie man gemeinsam zum Ziel kommt.

Es geht nicht darum, Maximalforderungen durchzusetzen – das hat bisher ziemlich selten geklappt. Das sehen wir auch in Dänemark: Konsens in der Politik und Wirtschaft, dass die Zukunft digital ist – und plötzlich ist der Glasfaserausbau deutlich schneller vorangekommen. Das ist es, was wir brauchen.

Herr Heer:

Ja, also ich würde da Vielem zustimmen, was Jan Simons sagt.

Also ein Punkt, auf den wir echt aufpassen müssen, das sagte Jan Simons vorhin schon in der Antwort auf eine andere Frage, ist das Thema Quo vadis Fachkräfte. Es ist ganz klar, dass die demografische Entwicklung, die wir haben, ja nicht umzukehren ist, sondern so ist, wie sie ist.

Das heißt, da müssen wir schon schauen, dass wir a) genug Leute qualifizieren und b) – sagte Jan Simons auch schon – dass wir hier nicht in dieses Leroy-Sané Schalke 04-Problem reinlaufen. Also ein kleiner Club bildet die Leute aus und dann kommt Manchester City und sagt: „Hier, ich lege jetzt mal ein paar Scheine auf den Tisch, dann ist er weg.“ Also das ist tatsächlich auch ein limitierender Faktor, auf den wir gut Acht geben müssen. Wie kriegen wir die benötigten Fachkräfte ran?

Zweites Thema, auf das wir unser Augenmerk richten müssen, das gilt für Deutschland insgesamt, das ist, genauso wie die Qualifizierungs-Problematik, auch kein Baden-Württemberg-spezifisches Thema: Wir sind ja mit dem Glasfaserausbau von der Relevanz her irgendwie nie an Nummer eins, sondern wir sind immer so an Position zwei oder drei und ich persönlich finde das mehr als schade. Erst waren Corona, dann der Ukraine-Konflikt, dann die Energie-Versorgung wichtiger. Jetzt haben wir Konzepte zur Wärmedämmung, die höher auf der Agenda stehen. Aktuell kommt das Sondervermögen, wo jeder ruft „ich will Geld haben“, wo man aber sagt, eigentlich geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzubauen.

Es gibt also immer irgendetwas, das in der Wahrnehmung wichtiger ist als unser Thema. Und deshalb müssen wir gucken, dass wir mit dem Glasfaserausbau als absoluter Grundlage der Digitalisierung, dass wir damit zumindest weit oben bleiben im Bewusstsein und das Ganze vielleicht noch stärker zusammendenken.

Nordrhein-Westfalen zum Beispiel macht das jetzt. Also nicht, dass ich Nordrhein-Westfalen als Vorbild darstellen wollte, nicht falsch verstehen. Da wäre ich jetzt weit von entfernt, ich komme ja gebürtig von hier. Aber in Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben wir jetzt ein Kompetenzzentrum, das erstmals – das ist ja neu vergeben worden – sagt: „Ich nehme Glasfaser, Mobilfunk, also 5G, und Rechenzentren und denke diese zusammen, heißt dann digitale Infrastruktur.“

Das ist wahrscheinlich der Weg, wo es hingeht und wo dann auch die Digitalisierung ihre Potenziale für andere Branchen entwickelt, also vielleicht für die Themen Verkehr, Einsparung physischer Verkehre, Optimierung von Energienetzen etc.

Also dass wir dann sehen, mit der ganzen Vernetzung schaffen wir im Prinzip ja viel mehr als nur: „Ich kann mir jetzt einen schnellen Internetanschluss irgendwo aussuchen.“

Der Nutzen ist ja ein viel weiterer – das sieht man derzeit auch an einem anderen Anliegen der EU. Im Moment reden wir ja gerade über den Code of Conduct in terms of Sustainability, mit dem schon umfassende Berichtspflichten für große Unternehmen einhergehen, die für kleine Unternehmen im Moment noch freiwillig sind, mit dem man auch sehen möchte, wo sich das Ganze hinbewegt.

Um das jetzt nicht zu weit ausufern zu lassen: Die Rahmenbedingungen bleiben herausfordernd aus unserer Sicht, aber es ist eine ganze Menge an Potenzial noch vorhanden. Und dass wir dieses heben, darauf müssen wir uns, glaube ich, konzentrieren –  das ist auch möglich. Also es ist nichts, was unmöglich wäre. So würde ich es mal fassen wollen. Da bricht der Rheinländer durch.

Gigabitkommune@BW

Mit dem Award „Gigabitkommune@BW“ macht Baden-Württemberg Erfolge von Telekommunikationsbranche und Kommunen sichtbar und unterstreicht den Stellenwert digitaler Infrastruktur im Alltag der Bürgerinnen und Bürger.

In diesem Kontext soll die Auszeichnung den bewährten Grundsatz des Landes bekräftigen: Fortschritt gelingt dort am besten, wo vor Ort zusammengearbeitet und Verantwortung übernommen wird.

zum nächsten Kapitel

Breitbandbericht 2025

Interview BBB 2025

Consent-Management-Plattform von Real Cookie Banner

Kapitelübersicht

Breitbandbericht 2025