Frage 5: Wie sehen Sie die absehbaren Entwicklungen des Glasfaserausbaus im Land angesichts der derzeitigen kapazitären, finanziellen, rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen?
Herr Schlichenmaier:
Ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir die Talsohle in Sachen stockendem Ausbau bereits durchschritten haben. Und zwar sowohl was den geförderten als auch den eigenwirtschaftlichen Ausbau angeht. Ich rechne zwar nicht damit, dass wir im Telekommunikationsmarkt noch mal so eine Goldgräber-Stimmung erleben werden, wie es in Baden-Württemberg im Jahr 2021 der Fall war, aber im Rückblick halte ich das auch gar nicht unbedingt für erstrebenswert.
Wichtiger wären für uns, und da würde ich mich eigentlich auch direkt an das anschließen, was Herr Simons gerade gesagt hat, realistische und verlässliche Ausbaubekundungen und dass dort, wo dann ein Ausbau angekündigt wird, auch innerhalb von vertretbaren Zeiträumen den Worten Taten folgen. Das heißt aber natürlich auch, dass klar kommuniziert wird, wo nicht ausgebaut wird und wo dann ein geförderter Glasfaserausbau realisiert werden kann.
Und wenn dann noch die bereits erwähnten Rahmenbedingungen der Förderpolitik von den Verantwortlichen auf Bundes-und Landesebene richtig neu justiert werden – also aus unserer Sicht ein verlässliches Programm, an dem nicht jedes Jahr Änderungen vorgenommen werden, eine gesicherte Verfügbarkeit von Fördermitteln auf dem Niveau von vor zwei, drei Jahren und einen Abbau von gewissen bürokratischen Hürden – dann glaube ich tatsächlich in Verbindung mit einem wieder anziehenden eigenwirtschaftlichen Ausbau, dass wir unseren Ausbauzielen auch in großen Schritten näher kommen werden.
Herr Simons:
Ich glaube, was Herr Schlichenmaier ganz zu Beginn dieses Gesprächs gesagt hat, ist ein wichtiger Punkt: Baden-Württemberg hat bereits einige große Hürden aus dem Weg geräumt. Die Ausbaugebiete, die wirklich schwer auszubauen sind – wie der Schwarzwald und der Hochrhein – sind Gebiete, in denen es bestimmt keinen Spaß macht, alles eigenwirtschaftlich zu erschließen. Es gibt aber Unternehmen, die das in Verbindung mit Förderung getan haben, beispielsweise die Firma Stiegler, die vom Hochrhein in den Schwarzwald geht.
Wir müssen also darauf achten, dass wir diese Dynamik, die wir jetzt durch diesen Pakt entfachen, fortsetzen können.
Dafür brauchen wir Kooperationen. Das hat Wolfgang Heer eben gesagt. Wir brauchen Kooperationen auf unterschiedlichen Ebenen. Ich will gar nicht eine Kooperation besser reden als die andere. Wir brauchen Kooperationen bei der Infrastruktur. Wir brauchen Kooperationen bei den Netzen. Wir brauchen einen freien Zugang für die Bürgerinnen und Bürger zum Internet ihrer Wahl. Wenn ich das mal so einfach ausdrücken darf: Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich aussuchen können, welchen Anbieter sie auf dem bestehenden Netz wählen. Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen. Wir müssen das alles auch aus Bürgersicht betrachten und es ihnen einfacher machen, sich für Glasfaser zu begeistern.
Das gesagt, brauchen wir aber auch die Rahmenbedingungen, die wir angesprochen haben. Ein durch die BNetzA definiertes Ziel beim Übergang von Kupfer zu Glas ist für uns auf jeden Fall wichtig. Das hilft auch den Bürgerinnen und Bürgern, zu verstehen, wohin die Reise geht. Wir brauchen ein Gespräch darüber, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unser Land hat. Das sind die Rahmenbedingungen.
Die Dynamik halten wir hoch. Ich glaube, dieser Austausch darüber, was wichtig ist und was nicht, und wie die verschiedenen Positionen zueinanderstehen, hat die Verhandlungen zum Pakt ausgemacht. Gemeinsame oder unterschiedliche Positionen erkennen und dann weiterdiskutieren: Wie kommt man von da aus zum gemeinsamen Ziel? Das ist es, was Baden-Württemberg auch in Zukunft machen muss. Man setzt sich an einen Tisch, jeder sagt, wo er steht, und auf dieser Basis guckt man dann, wie man gemeinsam zum Ziel kommt.
Es geht nicht darum, Maximalforderungen durchzusetzen – das hat bisher ziemlich selten geklappt. Das sehen wir auch in Dänemark: Konsens in der Politik und Wirtschaft, dass die Zukunft digital ist – und plötzlich ist der Glasfaserausbau deutlich schneller vorangekommen. Das ist es, was wir brauchen.
Herr Heer:
Ja, also ich würde da Vielem zustimmen, was Jan Simons sagt.
Also ein Punkt, auf den wir echt aufpassen müssen, das sagte Jan Simons vorhin schon in der Antwort auf eine andere Frage, ist das Thema Quo vadis Fachkräfte. Es ist ganz klar, dass die demografische Entwicklung, die wir haben, ja nicht umzukehren ist, sondern so ist, wie sie ist.
Das heißt, da müssen wir schon schauen, dass wir a) genug Leute qualifizieren und b) – sagte Jan Simons auch schon – dass wir hier nicht in dieses Leroy-Sané Schalke 04-Problem reinlaufen. Also ein kleiner Club bildet die Leute aus und dann kommt Manchester City und sagt: „Hier, ich lege jetzt mal ein paar Scheine auf den Tisch, dann ist er weg.“ Also das ist tatsächlich auch ein limitierender Faktor, auf den wir gut Acht geben müssen. Wie kriegen wir die benötigten Fachkräfte ran?
Zweites Thema, auf das wir unser Augenmerk richten müssen, das gilt für Deutschland insgesamt, das ist, genauso wie die Qualifizierungs-Problematik, auch kein Baden-Württemberg-spezifisches Thema: Wir sind ja mit dem Glasfaserausbau von der Relevanz her irgendwie nie an Nummer eins, sondern wir sind immer so an Position zwei oder drei und ich persönlich finde das mehr als schade. Erst waren Corona, dann der Ukraine-Konflikt, dann die Energie-Versorgung wichtiger. Jetzt haben wir Konzepte zur Wärmedämmung, die höher auf der Agenda stehen. Aktuell kommt das Sondervermögen, wo jeder ruft „ich will Geld haben“, wo man aber sagt, eigentlich geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzubauen.
Es gibt also immer irgendetwas, das in der Wahrnehmung wichtiger ist als unser Thema. Und deshalb müssen wir gucken, dass wir mit dem Glasfaserausbau als absoluter Grundlage der Digitalisierung, dass wir damit zumindest weit oben bleiben im Bewusstsein und das Ganze vielleicht noch stärker zusammendenken.
Nordrhein-Westfalen zum Beispiel macht das jetzt. Also nicht, dass ich Nordrhein-Westfalen als Vorbild darstellen wollte, nicht falsch verstehen. Da wäre ich jetzt weit von entfernt, ich komme ja gebürtig von hier. Aber in Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben wir jetzt ein Kompetenzzentrum, das erstmals – das ist ja neu vergeben worden – sagt: „Ich nehme Glasfaser, Mobilfunk, also 5G, und Rechenzentren und denke diese zusammen, heißt dann digitale Infrastruktur.“
Das ist wahrscheinlich der Weg, wo es hingeht und wo dann auch die Digitalisierung ihre Potenziale für andere Branchen entwickelt, also vielleicht für die Themen Verkehr, Einsparung physischer Verkehre, Optimierung von Energienetzen etc.
Also dass wir dann sehen, mit der ganzen Vernetzung schaffen wir im Prinzip ja viel mehr als nur: „Ich kann mir jetzt einen schnellen Internetanschluss irgendwo aussuchen.“
Der Nutzen ist ja ein viel weiterer – das sieht man derzeit auch an einem anderen Anliegen der EU. Im Moment reden wir ja gerade über den Code of Conduct in terms of Sustainability, mit dem schon umfassende Berichtspflichten für große Unternehmen einhergehen, die für kleine Unternehmen im Moment noch freiwillig sind, mit dem man auch sehen möchte, wo sich das Ganze hinbewegt.
Um das jetzt nicht zu weit ausufern zu lassen: Die Rahmenbedingungen bleiben herausfordernd aus unserer Sicht, aber es ist eine ganze Menge an Potenzial noch vorhanden. Und dass wir dieses heben, darauf müssen wir uns, glaube ich, konzentrieren – das ist auch möglich. Also es ist nichts, was unmöglich wäre. So würde ich es mal fassen wollen. Da bricht der Rheinländer durch.