Kapitel 3 Breitbandausbau in Baden-Württemberg
Seit der vollständigen Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts durch die Europäische Union im Jahr 1998 obliegt es dem freien Markt – folglich den privaten Telekommunikationsunternehmen –, den Verbrauchern Telekommunikationsdienste bereitzustellen und hierfür die Breitbandinfrastruktur vorzuhalten.
Die Telekommunikationsunternehmen investieren große Summen in den Auf- und Ausbau von Netzinfrastrukturen. Trotz vielfältiger eigenwirtschaftlicher Ausbauaktivitäten verbleiben jedoch vor allem im Ländlichen Raum Gebiete, in denen Glasfaseranschlüsse aufwändig zu realisieren und auch über viele Jahre gesehen nicht rentabel sind. Deshalb unterstützen der Bund und das Land den kommunalen Breitbandausbau in diesen unterversorgten Regionen finanziell. Mit der Breitbandförderung des Bundes und des Landes erhalten betroffene Landkreise, Städte und Gemeinden bedarfsgerecht eine Förderung zur Erschließung von Haushalten, Gewerbebetrieben und öffentlichen Einrichtungen. Hierbei ist es besonders wichtig, den eigenwirtschaftlichen und den geförderten Ausbau eng aufeinander abzustimmen – denn Intention ist es, neben der Wahrung des geltenden Vorrangs des eigenwirtschaftlichen Ausbaus, die bereitgestellten Fördermittel gezielt und wirkungsvoll einzusetzen.
In Baden-Württemberg besteht bzw. bestand die Landes-Breitbandförderung dabei aus zwei eigenständigen Programmen: Einer reinen, „originären“ Landesförderung (welche Ende des Jahres 2022 ausgelaufen ist) sowie einer (weiter fortgeführten) Kofinanzierung der Bundesförderung durch das Land. Beide Programme haben einen wertvollen Beitrag zum Breitbandausbau in Baden-Württemberg geleistet.
Ein Rückblick
Die Bedeutung, die der flächendeckenden digitalen Infrastruktur zukommt, erkannte Baden-Württemberg frühzeitig und nahm dabei bundesweit eine Vorreiterrolle ein.
Bereits Ende 2007 startete das Land die „Breitbandinitiative Ländlicher Raum“ mit dem Ziel, eine flächendeckende Versorgung des Ländlichen Raums mit Breitbandinfrastruktur zu fördern und damit der digitalen Kluft zwischen den Verdichtungsräumen und dem Ländlichen Raum entgegenzuwirken. Im Mai 2012 folgte die „Breitbandinitiative II“, die ihren Förderfokus auf den Aufbau von Hoch- und Höchst- leistungsnetzen richtete.
Die von der EU-Kommission genehmigte Verwaltungsvorschrift Breitbandförderung vom 1. August 2015 (VwV Breitbandförderung) begründete das nicht nur finanziell, sondern auch strukturell stark ausgeweitete neue landeseigene Breitbandförderprogramm: Es wurden das Kompetenzzentrum Breitbandausbau etabliert, neue Fördermöglichkeiten geschaffen und Förderschwerpunkte beispielsweise auf interkommunale Zusammenarbeit sowie die Glasfaseranbindung von Schulen und Gewerbegebieten gelegt. Im Zuge der um ein Vielfaches angehobenen Gesamtmittelausstattung wurden deutlich höhere Förderpauschalen eingeführt.
Unter Berücksichtigung der im Jahr 2019 in Auftrag gegebenen Breitbandstudie fand eine Weiterentwicklung der Förderstrategie des Landes statt. Die Breitbandförderung wurde nunmehr auf den landesweiten, flächendeckenden Ausbau mit gigabitfähigen Breitbandnetzen bis ins Jahr 2025 ausgerichtet.
Um insbesondere den wichtigen Ausbau von Backbone-Netzen im Land weiter unterstützen zu können, wurde die VwV Breitbandförderung im Sommer 2021 nochmals um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
Damit ist die von der EU-Kommission im Jahr 2015 ursprünglich genehmigte, knapp achtjährige Laufzeit der Fördermaßnahme vollständig ausgeschöpft worden und untermauert den Erfolg des landeseigenen Förderprogramms über all die Jahre.
Aufgrund der sehr erfolgreichen Einführung und Annahme der Landeskofinanzierung konnte im Laufe der Jahre ein Rückgang der eingegangenen Förderprojekte und deren Bewilligung in der originiären Landesförderung verzeichnet werden. Gleichzeitig erfolgte ein deutlicher Anstieg der Förderanträge innerhalb der Landeskofinanzierung.
Wie viele Fördermittel sind abgeflossen?
Anzahl Förderanträge | Zuwendung in Euro | |
Zuwendung bewilligt | 2.379 | 517.672.047,53 |
Summe der Ausgezahlten Mittel | 1.827 | 322.145.673,38 |
Was haben die Fördermittel vor Ort bewirkt?
Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf abgerechnete Projekte im Rahmen der reinen Landesförderung. Mit der Einreichung des Verwendungsnachweises und der damit erforderlichen Dokumentationsbestätigung werden die Daten erfasst. Im Bau befindliche Projekte werden hier noch nicht berücksichtigt. Perspektivisch werden sich die Angaben zu den gebauten Netzen deutlich erhöhen, da sich viele Projekte momentan noch in der Umsetzungsphase befinden und die Meldung der Daten somit noch aussteht.
– 1.081 Kilometer gebautes Backbone-Netz
– 1.054 Kilometer gebautes FTTB-Netz
– 174 Kilometer gebautes FTTC-Netz
– 15.982 gebaute Hausanschlüsse
– davon 2.985 Gewerbebetriebe
– davon 194 öffentliche Gebäude
– 4.712 Kilometer gebaute Glasfaser
– 4.356 Kilometer gebaute Leerrohre (ohne Pacht)
– zusätzlich 3.476 Kilometer Trasse in Bau
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Breitbandförderung durch Bund und Land: Die Erfolgsgeschichte der Kofinanzierung in Baden-Württemberg und die neue Gigabitförderung 2.0
In Ergänzung zur reinen Landesförderung hat das Land Baden-Württemberg bereits im Jahr 2016 eine Kofinanzierung der Bundesbreitbandförderung für die Kommunen eingeführt. Ziel der Kofinanzierung durch das Land ist es, fehlende Mittel für die Breitbandförderung zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2019 hat das Land eine weitgehende Harmonisierung von Bundes- und Landesförderung vorgenommen und den Kofinanzierungsanteil um 20 Prozentpunkte erhöht. Mit der Kofinanzierung wurde damit eine Erstattung der förderfähigen Kosten für die kommunalen Breitbandprojekte in Höhe von insgesamt bis zu 90 Prozent eingeführt. Der Bund fördert seitdem 50 Prozent und das Land 40 Prozent der förderfähigen Kosten. Die Kommunen
tragen einen Anteil von 10 Prozent. Dieser attraktive Fördersatz sowie die mit der Novellierung verbundenen Verfahrenserleichterungen haben sich als wahre Erfolgsgeschichte erwiesen: Seit Inkrafttreten der neuen Förderkulisse erfolgte ein deutlicher Anstieg der teilnehmenden Kommunen am baden-württembergischen Breitbandförderprogramm inklusive der Kofinanzierung der Bundesförderung.
Gesamtanzahl geförderter Teilnehmer | 349.586 |
davon Privatadressen | 320.132 |
davon Gewerbebetriebe | 27.386 |
davon Schulen | 1.593 |
davon Krankenhäuser/ medizinische Einrichtungen | 64 |
davon sonstige öffentliche Gebäude | 404 |
davon Häfen | 7 |
Die Kofinanzierung der Bundesförderung macht 79 Prozent des gesamten Bewilligungsvolumens des Landes in der Breitbandförderung aus.
Im April 2023 hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr die neue Gigabit-Richtlinie des Bundes 2.0 veröffentlicht: Förderfähig sind damit nun Gebiete, die derzeit über kein Next-Generation-Access-Netz (NGA-Netz) verfügen (weißer Fleck) oder die über ein NGA-Netz verfügen, das derzeit keine Datenrate von zuverlässig mindestens 200 Mbit/s symmetrisch bzw. 500 Mbit/s im Download zur Verfügung stellt (grauer Fleck), soweit innerhalb der nächsten drei Jahre die geplante Telekommunikationsinfrastruktur den Endkunden keine Datenrate von mehr als 500 Mbit/s zuverlässig im Download zur Verfügung stellen kann. Wie bisher auch erhalten die Zuwendungsempfänger mit dem Förderprogramm eine Anteilsfinanzierung. Im Fokus der Förderung liegen Kommunen mit einem hohen Anteil besonders unterversorgter Gebiete. Mittels der neu eingeführten gezielten Priorisierung der Förderprojekte sollen die Fördermittel möglichst effizient eingesetzt werden. Damit alle Länder angemessen von der Förderung profitieren, wurden Länderobergrenzen eingeführt. Diese richten sich im Grundsatz nach der Anzahl der noch nicht gigabitfähigen Anschlüsse jedes Landes. Für Baden-Württemberg ist im Jahr 2023 ein Bundesfördermittelbudget in Höhe von 320 Millionen Euro reserviert. Als neues Instrument sind nun zudem Branchendialoge vorgesehen. Diese sollen die Kooperation zwischen den örtlich tätigen Telekommunikationsunternehmen und den Kommunen verbessern und mit Unterstützung der ebenfalls neuen Potenzialanalyse die Möglichkeiten eines privatwirtschaftlichen Ausbaus vor Ort ausloten. Darüber hinaus sieht die neue Förderkulisse des Bundes eine Flexibilisierung der Markterkundungsverfahren vor. Indem die Veräußerung der geförderten Netze zukünftig nicht mehr verpflichtend sein soll, möchte der Bund die Betreibermodelle stärken.
Auch bei der neuen Bundesförderkulisse soll die bisherige Erfolgsgeschichte der hervorragend angenommenen Landeskofinanzierung in Baden-Württemberg fortgeschrieben werden. Das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen wird deshalb auch weiterhin mit einem landesseitigen Kofinanzierungsprogramm im Rahmen der vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel 40 Prozent der förderfähigen Kosten fördern und damit zusammen mit dem Bundesförderanteil eine Förderquote von 90 Prozent der förderfähigen Kosten ermöglichen.
Weitere Informationen zur Bundesförderung erhalten Sie hier.
Kompetenzzentrum Breitband und Mobilfunk – Management des Förderverfahrens, Ansprechpartner und Wissensmultiplikator
Das im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen angesiedelte Kompetenzzentrum Breitband und Mobilfunk richtet die Breitbandförderung strategisch aus, befasst sich mit allgemeinen Fragen des Breitbandausbaus und führt die Verfahren zur Beantragung und Abrechnung der Fördermittel durch.
Um die Fördermittel zielgerichtet einzusetzen, steht das Kompetenzzentrum Breitband und Mobilfunk in einem kontinuierlichen Austausch mit den im Land tätigen Telekommunikationsunternehmen und den Kommunen.
Zahlreiche Schulungen, Informationsveranstaltungen und Workshops zumThema Breitband- und Mobilfunkausbau sowie zu alternativen Technologien werden für Kommunen und kommunale Einrichtungen über das Jahr verteilt angeboten.
Darüber hinaus führt das Kompetenzzentrum regelmäßige Analysen durch, um anhand von Geodaten und Marktanalysen ein fundiertes Wissen über den aktuellen Ausbaustand vor Ort zu erlangen.
Gigabitstudie
Ein wichtiges Instrument für die weitere Ausgestaltung der Förderkulisse stellt die vom Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen in Auftrag gegebene und 2022 veröffentlichte Gigabitstudie dar. Sie analysiert die aktuelle Breitbandverfügbarkeit und fasst die potenziell geplanten eigenwirtschaftlichen Ausbaubestrebungen zusammen. Über eine Szenarioanalyse wird unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kriterien der Investitions- und Fördermittelbedarf für einen flächendeckenden Gigabitausbau in Baden-Württemberg ermittelt.
Im Jahr 2024 wird die Studie aktualisiert, um die gegenwärtige Marktdynamik mit den jeweiligen Marktpreisen sowie die neue Förderkulisse berücksichtigen zu können. Die Evaluation ermöglicht zusätzlich, die in der Ausgangsstudie getroffenen Annahmen zu verifizieren. Das Ergebnis wird maßgeblich für die Evaluation der Förderung sowie für die Kalkulation des weiteren Fördermittelbedarfs eingesetzt.
Bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass diese datengestützte Herangehensweise die richtigen Weichen für den zukunftsfähigen landesweiten Breitbandausbau stellen kann, um das eingangs genannte Versorgungsziel zu erreichen.
Runder Tisch Glasfasernetze
Das Land möchte mit den Verantwortlichen im Gespräch bleiben und den Austausch der einzelnen am Glasfaserausbau Beteiligten ermöglichen. Deshalb hat das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen am 19. Januar 2023 den „Runden Tisch Glasfasernetze“ ins Leben gerufen.
Ziel des Runden Tischs Glasfasernetze ist es, alle involvierten Akteure besser zu vernetzen und die Zusammenarbeit beim Glasfaserausbau in Baden-Württemberg zu intensivieren. Thomas Strobl, Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, hat hierzu Vertreterinnen und Vertreter der privaten Telekommunikationsunternehmen, der Verbände der Breitbandbranche, der Kommunalen Landesverbände und der Landesverwaltung nach Stuttgart eingeladen. Künftig soll das Treffen zwei Mal im Jahr stattfinden.
„Den flächendeckenden Ausbau von gigabitfähigen Netzen schaffen wir nur gemeinsam, im Schulterschluss von privatem und staatlich gefördertem Ausbau. Wir alle müssen an einem Strang ziehen, denn diese Aufgabe kann niemand alleine lösen“
– Thomas Strobl
Stv. Ministerpräsident und Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg
Die Auftaktveranstaltung wurde auch vom Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Herrn Prof. Dr. Alexis von Komorowski, positiv aufgenommen: „Die Landkreise begrüßen es, dass der privatwirtschaftliche Glasfaserausbau nun auch in Baden-Württemberg Fahrt aufnimmt, und bekennen sich zu einem konstruktiven Dialog mit allen Partnern.“
Mobilfunk- und 5G-Ausbau
5G bildet die Grundlage für Innovationen in vielen Bereichen wie intelligenter Mobilität, Industrie 4.0 oder in der digitalisierten Landwirtschaft.